Integration – Mit Fokus auf Elternforen

Sitzung Elternrat – 17.05.2011
Integration mit Fokus auf Elternforum
Peter Tobler
Integrationsbeauftragter Stadt St. Gallen
(notiert durch Daniel Locher, Vorstand Elternforum Oberzil; formatiertes PDF kann bestellt werden)

1. Einleitung
Seit 10 Jahren gibt es die städtische Integrationsstelle, die Stelle des Integrationsbeauftragten ist mit einem 60 % Pensum besetzt, in der Person von Peter Tobler.
In seiner Einleitung weist er darauf hin, dass Integration nicht verordnet werden kann. Auf der anderen Seite ist die Bereitschaft hoch, wenn die Menschen abgeholt werden.

Der Vortrag hat das Thema Beteiligung von schwer erreichbaren Eltern an Sitzungen und Veranstaltungen des Elternforums im Fokus.

2. Themen des Vortrags
Der rote Faden des Vortrags setzte sich aus folgenden Themen zusammen:
• Elternforum – freiwillige Beteiligung für Schule und Familien
• Nutzen – wann beteiligt sich jemand
• Freiwilligenarbeit – wer kann sich ehrenamtliches Engagement leisten
• Beteiligung – ist Beziehung und Betroffenheit
• Quartierkultur

2.1. Elternforum – freiwillige Beteiligung für Schule und Familien
Folgende Fragen sollten gestellt werden:
• Was will man kommunizieren?
Neben dem zu kommunizierenden Inhalt sollten Angebote gemacht werden, die einen konkreten Nutzen bringen.
• Welche Zielgruppen möchte man erreichen?
Neben Eltern können auch die Schule und die Lehrer die Zielgruppe bilden. Es ist wichtig, die Aktivitäten auf die jeweils gewünschten Zielgruppen abzustimmen. Sollen die Zielgruppen ein möglichst genaues Abbild der Schulklassen sein?
• Wie schafft man es, die Zielgruppen zu beteiligen?
Die Definition der Zielgruppen ist eine Sache, diese zu beteiligen eine andere.

2.2. Nutzen – wann beteiligt sich jemand
Dass die Beteiligung im Bereich der Freiwilligenarbeit stetig nachlässt, ist ein offenes Geheimnis. Auch ganz traditionelle Angebote sind davon nicht verschont, wie z. B. kommunale Samaritervereine, welche nur durch Zusammenlegung von Sektionen überleben können.
Zentral ist die Frage des Nutzens. Im besseren Fall mache ich mit, weil mir ein konkreter Nutzen aus der Teilnahme erwächst. Im schlechteren, weil ich dazu gezwungen werde.
Weiter ist es sehr wichtig, den „Kunden“ zu verstehen, eine Marketingsicht zu haben. Die Kunden können Schweizer, Ausländer, Alleinerziehende, usw. sein. Jeder Kunde hat eine eigene Sicht der Dinge und profitiert u. U. von einem anderen Angebot.
Um diese Kunden anzusprechen, sind verschiedene Kommunikationskanäle zu wählen. Neben dem Brief (Post oder Abgabe durch die Lehrperson), dem Telefonanruf kann auch ein persönliches Aufsuchen nötig sein. Letzteres ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Türöffner zur Verfügung stehen, welche eine besonders gute Beziehung zu einer ansonsten schwer erreichbaren Zielgruppe haben.
Um die Zielgruppe verstehen zu können, ist es notwendig, sie zu kennen, um das Angebot attraktiv gestalten zu können. Unter Umständen gibt es je nach Zielgruppe auch Tabus (z. B. Sexualität, Religion). Vielleicht entscheidet die Grossmutter, ob die Tochter an einer Veranstaltung teilnehmen darf.
Solche Aspekte müssen von Beginn weg in die Planung mit einbezogen werden. So sollte es auch gelingen, die Zielgruppen zu Betroffenen und somit zu Beteiligten (Träger der Idee) zu machen.
Auch Anreize in Form von Belohnungen tragen zu einer höheren Beteiligung bei. Neben der Bezahlung für eine Vermittlung kann auch das Generieren eines sekundären Nutzens sinnvoll sein: Deutsch für Mütter.
Die Öffnung der vorhandenen Infrastrukturen für weitere Zwecke (Mehrfachnutzung) kann sinnvoll sein. Die Quartiersbibliothek stellt eine solche Infrastruktur dar. Der Nutzen kann durch den primären Zweck, der Ausleihe, begründet sein, aber auch der Suche nach Stille oder im Gegenteil nach Kontakten.

2.3. Freiwilligenarbeit – wer kann sich ehrenamtliches Engagement leisten
Nur wer zeitliche und ökonomische Freiheit hat, wird sich in der Freiwilligenarbeit engagieren. Wer mehrere Jobs annehmen muss, hat kaum die Kraft und die Lust für ein weiteres, unbezahltes Engagement. Dies trifft auf gewisse Bevölkerungsschichten mehr, auf andere weniger zu.

2.4. Beteiligung – ist Beziehung und Betroffenheit
Bereits oben wurde erwähnt, dass eine Beteiligung durch „Zwang“ erreicht werden kann. Solche Pflichtkontakte wie z. B. Elterngespräche haben das grösste Potenzial. Diese bewährten Möglichkeiten sollten bestmöglich ausgenutzt werden.
Als neue Möglichkeit könnten Neuzuzüger willkommen geheissen werden. In Genf wird der 1. Schultag ritualisiert und die Teilnahme ist Pflicht. Auch die gezielte Suche z. B. nach Schulreisebegleitung bei Personen, welche sich nicht von selber melden, ist sinnvoll.

2.5. Quartierkultur
Beteiligung ist immer eine Frage der Kultur!
Kulturförderung sollte im ganzen Quartier betrieben werden. Massnahmen könnten sein:
• Kleider- / Kinderbörsen
• Neuzuzügergespräche
• Bewusste Fokussierung auf Zielgruppen und deren Ressourcen

Wichtige Punkte:
• Nicht immer neue Kommunikationskampagnen fahren
• Auf Bewährtem aufbauen
• Angebot an Zielgruppen und deren Ressourcen ausrichten

Der Stadtrat ist an der Erarbeitung eines Konzepts für die Quartiere. Ausserdem besteht ein städtischer Integrationsfonds „Förderbeiträge Integration“ im Umfang von CHF 90‘000 / Jahr. Gute Projekte werden daraus unterstützt, jeweils nur mittels Teilfinanzierung.

3. Diskussion
Anschliessend an den Vortrag fand eine interessante und angeregte Diskussion statt, welche nachfolgend (auszugweise) wiedergegeben wird.

Frage: es fehlt die Übersicht, wer in welchem Fall angesprochen werden kann und welche Unterstützung geboten wird.
Antwort: Integrationsaktivitäten finden in den Regelklassen statt. Der Integrationsbeauftragte kann bei der Vermittlung von erfahrenen Kontakten (Türöffner, Vermittler) behilflich sein.

Frage: welche Pflichten hat die Wirtschaft hinsichtlich der Integration?
Antwort: Integration ist eine Querschnittsaufgabe. Nicht jeder will und muss integriert werden. Z. B. gibt es zahlreiche englischsprechende Kaderangestellte. Die Mobilität führt zu einer neuen Situation.

3.1. Integrationsrisiken
Typische Integrationsrisiken sind:
• Fehlen des sozialen Netzes
• Jobverlust
• Krankheit, Invalidität
• Schlechte Bildung
• Die schlechten Verständigungsmöglichkeiten (sind eher sekundär!)

Die Frage, ob es sich bei dem Betroffenen um eine ausländische Person handelt, ist eher zweitrangig. Die Hauptfrage heute ist, zu welcher sozialen Schicht man gehört. Dies betrifft auch Schweizer Bürger. Es geht darum, die Bereitschaft zur Integration zu schaffen.

Integration kann nicht erzwungen werden, nicht jeder will sich integrieren!

3.2. Rolle von Social Media (E-Mail, Internet, etc.)
Die Kommunikation über die „neuen“ elektronischen Möglichkeiten kann sinnvoll, jedoch auch ein Risiko sein. Beziehungsqualität kann nicht durch soziale Medien ersetzt werden. Der persönliche Kontakt, das „in die Augen schauen“, begreifen, verstehen, ist nur durch den direkten Kontakt möglich.

Link:
Integrationsbeauftragter der Stadt St. Gallen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert